17.05.2010
Pressemitteilung Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft
AbL: Spekulationsblase führt zu „Hähnchenblase“
Auf „dramatisch anwachsende Überkapazitäten von Schlachtereien und Stallanlagen
in der Hähnchenbranche“ hat erneut die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL) hingewiesen. Parallel zum Ausbau der Schlachtstätten durch
den Wesjohann- und den Stolle-Konzern und zum geplanten Neubau eines
Riesenschlachthofs durch den Rothkötter-Konzern in Wietze bei Celle wolle nun
auch die niederländische Plukon-Geflügelgruppe zusätzliche Kapazitäten in
Deutschland aufbauen und ihre Produktion im vorpommerschen Storkow bis 2012
verdoppeln.
AbL-Sprecher Eckehard Niemann verwies auf zahlreiche beantragte 400.000er-
Mastanlagen in Ostdeutschland, z.B. in Klein Daberkow und auf eine geplante
Großbrüterei im benachbarten Woldegk. Deren Investoren seien auf verschiedenen
Internetseiten als Mitarbeiter der Plukon-Tochterfirmen Agrifirm und Strahmann
aufgeführt. Die Muttergesellschaft Plukon (Marke „Friki“) wiederum, immerhin
drittgrößter Geflügelschlachter Europas, sei kürzlich vom internationalen
Finanzinvestor Gilde-Buy-Out übernommen worden. Auch der holländische
Geflügelkonzern Storteboom sei von der britischen „ 2-Sisters“-Holding aufgekauft
worden. Manche Kritiker sprächen bereits vom „Einmarsch der Heuschrecken in die
Hähnchenställe“.
„Offenbar“, so Niemann, „weitet sich die internationale Spekulationsblase nun auch
auf den Geflügelsektor aus und führt zu einer Hähnchenblase“. Den zusätzlichen
Überschuss- und Preisdruck und den bevorstehenden Zusammenbruch des
Hähnchenmarktes würden die Schlachtkonzerne auf die von ihnen total abhängigen
Vertragsmäster abwälzen. Der auch in Deutschland produzierende französische
Doux-Konzern habe laut Lebensmittelzeitung bereits 2009 rote Zahlen geschrieben.
Die AbL wertete es auch als deutliche Warnzeichen, dass der niederländische
Futtermittelkonzern Cebeco seine Geflügelfirma Plukon nur noch zu „moderaten
Preisen“ habe abstoßen können und dass jetzt auch der französische
Landhandelskonzern Unigrains aus der Geflügelbranche ausgestiegen seien.
Angesichts dieser bedrohlichen Vorzeichen wachse in der Geflügelbranche die
Verärgerung der bestehenden Schlachtereien über die Förderung der Schlachthof-
Pläne des Unternehmens Rothkötter durch die niedersächsische Landesregierung.
Branchen-Insider berichteten, dass namhafte Vertreter der Branche kürzlich ihren
Unmut in drastischer Form gegegenüber Agrarminister Ehlen und vermutlich auch
gegenüber seiner Nachfolgerin Grotelüschen, die ja aus der Geflügel-Agrarindustrie
stamme, deutlich gemacht hätten.
Unterdes bestätigte ein Redakteur des Weserkurier der AbL gegenüber nochmals die
Äußerung Rothkötters in einem Artikel, wonach der Baubeginn seines Wietzer
Schlachthofs womöglich vom Frühjahr 2011 um ein Jahr verschoben werden könnte.
Rothkötter hatte diese Äußerung später dementiert, aber gegenüber anderen
Journalisten einräumen müssen, dass er die für die erste Ausbaustufe benötigten
120 Vertragsmäster im Umkreis von Wietze nicht habe anwerben können. Dies führt
AbL auch auf den anhaltenden Widerstand von mehr als 20 Bürgerinitiativen in
diesem Raum zurück. Angeblich solle Rothkötter nur noch mit 50 Landwirten recht
vage „im Gespräch“ sein, so dass die Kapazitäten in Wietze dann allenfalls durch
„Hähnchen-Importe“ aus dem Emsland oder durch Stallbauten emsländischer
Investoren in Ost- und Südniedersachsen auszulasten wären. Letzteres wiederum,
so AbL-Sprecher Niemann, würde auf heftigste Proteste der hiesigen Landwirte
stoßen. Erste Anfragen aus dem Emsland gebe es bereits.
Die AbL rief Landwirtschaftskammer und Bauernverband/Landvolk auf, die mit den
Geflügelkonzernen durchgeführten Anwerbeveranstaltungen für Vertragsmäster
sofort zu stoppen. Agrarindustrielle Anlagen mit ihrer nicht artgerechten Tierhaltung
isolierten die Landwirte von der Gesellschaft, schafften tiefe Gräben zu den
geschädigten Nachbarn in den Dörfern und schadeten dem Image ganzer Regionen.
Angesichts zunehmender Exportprobleme und des kaum noch ansteigenden
Geflügelverbrauchs seien auch „unseriöse Jubelmeldungen“ über den Geflügelmarkt
„völlig neben der Realität“. Die AbL forderte die Politik auf, sich für ein Verbot von
Agrarfabriken, bessere Nutztierhaltungs-Verordnungen und die Förderung der
Zukunftsmärkte einer „artgerechten Tierhaltung auf Bauernhöfen und in lebendigen
Regionen“ einzusetzen.
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